Spiegellose Systemkameras sind auf dem Vormarsch und das Akronyme-Bingo der Hersteller zeigt, das auch die Marketingmaschinerie in vollem Gange ist:

  • CSC (=Compact System Camera),
  • EVIL (=Electronic Viewfinder Interchangable Lens),
  • MILC (=Mirrorless Interchangeable Lens Camera) und
  • und DSLM (=Digital Single Lens Mirrorless)

meinen eigentlich alle das Gleiche: deutlich weniger Gewicht schleppen und im Vergleich zu (APS-C-)DSLRs nur unwesentlich Kompromisse in Sachen Bildqualität, High-ISO-Performance und Dynamikumfang eingehen, so die Idee.

Geht die Rechnung auf? – Für mich auf jeden Fall: ich habe meinen kompletten Canon-Krempel zugunsten Micro Four Thirds (MFT) verscherbelt. Inzwischen ist ein halbes Jahr vergangen und ich bereue nichts.

Here’s why…

Meine altgediente 450D und das Säcklein mit Gläsern hatte zuletzt immer öfter das Haus gehütet. Das Geschleppe war mir zunehmend lästig geworden. Stattdessen begleitete mich maximal die Ixus oder minimal das iPhone – beides keine konkurrenzfähigen Alternativen.

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Warum Micro Four Thirds?

Samsung NX, Sony NEX, Pentax-Q, Nikon 1, Fuji X, Canon EOS-M: jeder Hersteller hat was Passendes im Programm. Die Unterschiede sind nicht unerheblich und da ist die Sensorgröße noch das offensichtlichste Unterscheidungsmerkmal:

sensor_sizes

(Quelle: cameraimagesensor.com, http://j.mp/XGIdZP)

Während sich Canon, Samsung, Sony und Fuji auf APS-C eingeschossen haben, fällt die Größe der Pentax-Sensoren nicht viel höher als bei Kompaktkameras aus (das Futzelding im Bild ganz links). Bei Nikon sieht es im APS-C-Vergleich auch nicht viel besser aus. Die MFT Sensoren besitzen ca. 40% weniger Fläche als APS-C. Die Bilddiagonale entspricht exakt der Hälfte des Kleinbildformates; heißt also: Crop-Faktor von 2.0. Um Brennweiten ins Kleinbildformat umzurechnen, ist also schon mal kein Taschenrechner nötig.

Aufgrund der doch sehr geringen Sensorgröße sind die Pentax Q und Nikon 1 sehr schnell aus meiner Gleichung geflogen. Die Systeme scheinen sich auch eher an Aufsteiger aus dem Kompaktkameralager zu richten als Alternativen zu Spiegelreflexkameras sein zu wollen.

Canon’s EOS-M gab es zu der Zeit nur in der Gerüchteküche und heute weiß man, der AF ist relativ langsam und insgesamt ist das System relativ wenig innovativ. Bei Sony und Samsung ist der Objektivpark leider noch recht überschaubar. Bei Fuji kämpfte man zu dem Zeitpunkt mit der AF-Geschwindigkeit der letzten X-Mount-Modelle sowie mit deren Treffsicherheit und Zuverlässigkeit. Hier sieht es hier deutlich besser aus und müsste ich mich neu entscheiden, wären die Fijis sicher in der engeren Wahl.

Soweit also alles wie man es kennt: jeder Hersteller kocht sein eigenes Süppchen. Man kauft sich in ein System ein und untereinander ist natürlich nichts kompatibel.

Panasonic und Olympus sind da als Gründungsmitglieder  des “Micro Four Thirds”-Standards deutlich offener unterwegs: Objektive und Kamerabodys sind untereinander austauschbar. Zwar existieren marginale Unterschiede aber unterm Strich aber gibt es beim Kombinieren der Ausrüstung keine nennenswerten Probleme, solang sich alle brav an die Spezifikationen halten.

Auch Dritthersteller wie Sigma oder Voigtländer haben inzwischen interessantes MFT-Arsenal im Programm und dem Standard treten zunehmend weitere Mitglieder bei. Grundsätzlich also eine Gute Basis. Die offizielle Micro Four Thirds Seite erklärt recht anschaulich, was man sich bei der Definition des Standards so gedacht hat und warum Sensorgröße nicht alles ist. Die Auswahl an Erstklassigen Objektiven mit teilweise sehr attraktivem Preis-Leistungs-Verhältnis ist übrigens hervorragend (die sehr gute Übersicht bei hennigarts.com listet aktuell über 40 native Modelle) und sucht bei den anderen Spiegellossystemen ihresgleichen.

Leider litten MFT-Kameras der ersten Generation an recht käsigem Rauschverhalten bei höheren ISO-Werten und im Vergleich zur DSLR an deutlich geringerem Dynamikumfang. Das Ende vom Lied war, dass man sich das Plus an Portabilität durch die vergleichsweise sichtbar schlechtere Bildqualität relativ teuer erkaufte.

OM-D E-M5

Mit der E-M5 hat Olympus April 2012 gewissermaßen das System aus den Kinderschuhen gehoben. Plötzlich war der Unterschied zu aktuellen APS-C-DSLRs in Sachen Bildqualität marginal (dem verbauten Sony-Sensor sei Dank), die Performance denen älterer Modelle sogar teils deutlich überlegen. Die Euphorie ging soweit, dass man die E-M5  gegen Vollformatboliden wie 5D MkII und D600 antreten ließ.

Das Netz ist jedenfalls voll von Lobgesängen auf die kleine E-M5 und vielerorts war die Kamera nach ihrer Markteinführung über Wochen hin ausverkauft (was ohne bei Produkten ohne Apfel-Logo ein seltenes Phänomen ist). Also habe ich mich weiter eingelesen und durch die zahlreichen Reviews gewühlt. Relativ bald war die Ablöse beschlossene Sache, meine komplette EOS-Ausrüstung auf ebay zu Geld gemacht und der Erlös auf Amazon.de gegen eine E-M5 mit 12-50mm Kit-Objektiv eingetauscht.

e-m5_vs_450D

Im Vergleich zur 450D wirkt die E-M5 wie zu heiss gewaschen.

6 Monate später

Ein halbes Jahr ist mein DSLR-Ausstieg jetzt her. Zeit für ein erstes Fazit. Die MFT-Ausrüstung ist derweil auch ein gutes Stück angewachsen. Die Auswahl an reizvollen Objektiven – insbesondere Festbrennweiten – ist einfach zu groß. Und wer ein wenig Geduld mitbringt, kann auf ebay mit ein wenig Glück zu einem guten Kurs einkaufen.

Zum Beispiel das Panasonic 20mm f1.7 Pancake. Quasi eine lebende MFT-Legende: der AF ist vergleichsweise gemütlich unterwegs aber die Abbildungsleistung über jeden Zweifel erhaben. Knackscharf bis in die Ecken schon bei Offenblende.

Schnappschüsse mit dem 20mm f1.7:

Das m.zuiko 12-50mm (Kit-Objektiv) hat einen relativ attraktiven Brennweitenbereich, ist spritzwassergeschützt und besitzt eine praxistaugliche Makrofunktion. Wobei die Abbildungsleistung nicht mit den Festbrennweiten oder den teureren Zooms mithalten kann. Dafür ist es im Kit sehr günstig zu haben.

Schnappschüsse mit dem 12-50mm:

Das m.zuiko 45mm f1.8 gilt als eines der schärfsten MFT-Objektive, ist recht lichtstark und hat außerdem ein sehr ansehnliches Bokeh. Mit umgerechnet 90mm analog Kleinbild auch ein feines Objektiv für Portraits. Und das zu einem fairen Preis.

Schnappschüsse mit dem 45mm f1.8:

Ein paar Worte zur Usability der E-M5: die direktionalen Gummiknöppe sind fummelig. Der Druckpunkt ist schwammig. Das wird wohl der Wetterfestigkeit geschuldet sein. In Sachen Haptik gibt es dafür Abzüge in der B-Note. Die Verarbeitung ist ansonsten jedoch hervorragend, die Kamera fühlt sich sehr wertig an.

Bei der Verwendung größerer Objektive wie bspw. dem Panasonic 12-35mm f2.8 empfiehlt sich der optional erhältliche Batteriegriff HLD-6, der mit gut 250,- EUR allerdings unverschämt teuer ist, wenn auch sehr gut verarbeitet und vom Prinzip her durchdacht. Der Griff besteht aus zwei Teilen: wird der horizontale Teil angebracht, macht das die Kamera deutlich griffiger. Der zweite Teil ergänzt den Portrait-Griff und bringt ein zusätzliches Batteriefach mit. Mit dem kompletten Griff montiert ist die E-M5 noch immer deutlich kompakter als eine DSLR ohne montierten Batteriegriff. Im Netz existieren bereits deutlich günstigere Varianten für den Horizontal-Griff.

Gerade dieses “Baukastenprinzip” ist das Reizvolle: mit leichtem Gepäck unterwegs, bleibt der Batteriegriff zu Hause, das Pancake kommt drauf und die Kombination ist fast noch jackentaschentauglich. Kommt ein größeres Objektiv mit, wird zusätzlich der Griff angeschraubt.

Das klappbare OLED-Display ist gut, der Touchscreen reagiert zügig. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Menuführung. Verschachtelt bis in die x-te Ebene, unklare Bezeichnungen, miserable deutsche Übersetzung. Am besten die Sprache gleich auf Englisch wechseln. Das wenig intuitive Menu ist alles andere als eine Unterstützung bei der Bewältigung der umfangreichen Konfigurationsmöglichkeiten. Hat man sich daran gewöhnt, kommt man gut damit zu recht. Bis dahin ist die Hürde aber nicht ohne.

Im Gesamtbild sind dies jedoch nur Kleinigkeiten. Lange hatte ich nicht mehr so viel Spaß am Fotografieren wie mit der E-M5 und dem MFT-Ökosystem. Und was zählt sonst, wenn nicht der Spaß am Fotografieren? Die Kamera ist deutlich öfter dabei als es die EOS war. Und am Ende ist immer noch die Kamera die beste, die man dabei hat.

Mehr Fotos mit der E-M5 auf 500px.