Das Nocticron das ist das derzeit einzige Autofokus-Objektiv für Micro Four Thirds mit einer maximalen Blende von f1.2. Bei den kleineren MFT-Sensoren kommen bei der Verwendung großer Blenden zwei Vorteile ganz Besonders zum Tragen: zum einen kann man sich höhere ISO-Sphären öfter mal sparen und somit rauschärmere Ergebnisse erzielen und zum anderen erlaubt eine ordentliche Offenblende größeres Freistellungspotential. Das macht das Nocticron somit insbesondere für das Arbeiten unter schlechten Lichtverhältnissen und die People-Fotografie interessant.

Wie nach meinem kleinen Lauf mit dem Nocticron durch die Stuttgarter Innenstadt angekündigt, hier nun mit etwas Verspätung der ausführlichere Testbericht zu diesem Schmuckstück.

Verarbeitung

Das Nocticron ist top verarbeitet. Da wackelt nix – alles wie aus einem Guss. Der Fokusring ist angenehm gedämpft und läuft butterweich. Der Blendenring rastet satt an jeder Stufe ein. Ein kühler, schwerer Brocken dunklen Metalls. Lediglich die Lasergravuren heben sich Leica-like farblich auf dem Tubus ab. Im Bauch beherbgergt das Nocticron 14 Linsen in 11 Gruppen. Neun Blendenlamellen sollen für ein ansehnliches Bokeh sorgen. Das Nocticron ist mit Panasonics Power O.I.S. Bildstabilisator ausgestattet, der sich am Gehäuse ebenso wie der Autofokus per Schalter außer Gefecht setzen lässt.

Anzeige

nocticron_review_011

A propos „außer Gefecht“: besagter Blendenring ist an Olympus-Kameras aktuell ohne Funktion. Vielleicht lässt sich das firmwareseitig durch Olympus anpassen, wobei ich mir da eher wenig Hoffnung mache.

Das 42.5 bringt mit Streulichtblende (neben einem Objektivbeutel im Lieferumfang enthalten) ungefähr ein halbes Kilo auf die Waage. Da fühlt es sich an MFT-Kameras mit etwas substantiellerem Griff deutlich wohler. An meiner E-M10 sieht das Ganze schon etwas unproportional aus. An der E-M1 macht das Objektiv eine ausbalanciertere Figur.

nocticron_review_012

In der Praxis

Das 42.5mm ist an meinen OM-Ds flott unterwegs, kann aber den Top-Performern unter den MFT-Linsen nicht ganz das Wasser reichen. Das deutlich günstigere Olympus 45mm f.1.8 (hier meine Meinung) fokussiert beispielsweise schneller und leiser. Muss allerdings – das sei fairerweise erwähnt – auch deutlich weniger Glas bewegen.

42.5mm und f1.2 bei Micro Four Thirds entspricht in 35mm-Sprech dem Bildwinkel eines klassischen 85mm-Objektiv mit dem Freistellungspotential von etwa Blende f2.4. Da können bei Portraitaufnahmen schon mal Wimpern anstelle der Iris scharf sein. Hier verlasse ich mich gerne auf die Gesichtserkennung der OM-Ds, die auf das linke, rechte oder nähere Auge fokussiert und dabei erstaunlich treffsicher ist.

Wie man hier schön sieht, lässt sich bei Close-Ups mit offener Blende schon eine sehr geringe Schärfentiefe erzeugen, insbesondere, wenn man die Sensorgröße bedenkt. Ich bin mir sicher, hier würde so manch einer, ohne die EXIFs zu kennen, auf andere Kamerasysteme tippen..

nocticron_review_007

f1.2, ISO400, 1/60 Sek.

nocticron_review_008

f1.2, ISO1600, 1/40 Sek.

Aber auch in anderen Disziplinen macht das Nocticron eine gute Figur. Es gilt allerdings einen minimalen Arbeitsabstand von gut einem halben Meter einzuhalten.

nocticron_review_005

nocticron_review_004

Ein Kritikpunkt könnte sein, dass die Zerstreuungskreise bei Offenblende nicht kreisrund sondern Katzenaugen-förmig sind, was ich persönlich nicht als störend empfinde und man auch bei anderen Lichtriesen findet. Der Übergang vom scharfen in den unscharfen Bildbereich ist dahingegen angenehm ruhig und verleiht dem Bild eine Plastizität, die ich mit anderen MFT-Objektiven in der Form nicht hinbekomme. Insbesondere s/w-Konvertierungen bestechen mit dem Nocticron.

stuttgart_nocticron_019

nocticron_review_014

Fazit

Die Bilder, die das Nocticron fabriziert haben das gewisse Etwas. In anderen Reviews wird teilweise von „3D-Pop“ gesprochen und irgendwie scheinen die mit dem Nocti gemachten Fotos tatsächlich plastischer zu sein.

Das Nocticron ist schon bei Offenblende so scharf, dass Abblenden eigentlich unnötig ist, es sei denn, man gerät an die minimale Belichtungszeit der Kamera. Bei f1.2 und gutem Wetter ist man schnell bei 1/4000s und kürzer angekommen. Von daher ist ein leichter 67mm-Graufilter keine schlechte Zusatzinvestition.

Die Freistellungsmaschine für MFT ist zwar immer noch das Olympus 75mm (hier meine Meinung), dessen Arbeitsbereich aufgrund der langen Brennweite allerdings eingeschränkter ist. Mit dem 42.5 ist man da flexibler.

Der Preis ist natürlich eine deutliche Ansage. Das Pendent von Fuji, das Fujinon 56mm f1.2, kostet ca. 2/3 des Nocticron. Bei Canon legt man für ein 85mm f1.2 bzw. ein 85mm f1.4 bei Nikon ähnlich viele Euros wie für das Nocti auf den Tisch. Ein Nocticron anzuschaffen, ist keine Vernunftsentscheidung. Für den Preis bekommt man 5x das m.zuiko 45mm f.8, das ein unschlagbares Preis-/Leistungsverhältnis besitzt und in jedes MFT-Kit gehört. Aber es ist eben kein Nocticron und der Look der Bilder ist einfach ein anderer. Zudem bringt das Oly eine volle Blendenstufe weniger Licht auf den Sensor.

Wenn Panasonic doch nur auf den O.I.S. im Objektiv und den manuellen Blendenring verzichtet hätte. Funktionen, die Oly-User unnötigerweise teuer mitbezahlen. Vielleicht wäre das Nocticron dann in eine etwas angenehmere Preisregion gerutscht und dabei sogar noch etwas leichter und kompakter geworden. Als Panasonic-User mag man das natürlich anders sehen.

Aktuell jedenfalls spielt das Nocticron in einer eigenen Liga im MFT-Lager. Und das will schon etwas heißen, bei den Perlen, die das System inzwischen zu bieten hat. Insbesondere, was die Festbrennweiten angeht.

Man munkelt ja schon, dass Olympus in Kürze seine ersten Ultra-Fast-Objektive ankündigen wird. Aktuell bekommt man bei Olympus an nativen MFT-Linsen jedoch nichts Schnelleres als f1.8.

Zusammengefasst..

PRO:

  • Fantastische Abbildungsleistung
  • Sehr gute Verarbeitung
  • Sehr angenehmer Übergang von Schärfe zu Unschärfe, weiches und ruhiges Bokeh
  • Sehr hohe Schärfe schon bei Offenblende bis in die Ecken
  • Streulichtblende aus Metall und Transportbeutel im Lieferumfang

CONTRA:

  • UVP aus meiner Sicht 200-300 EUR zu hoch
  • Blendenring an Olympus-Kameras ohne Funktion
  • Nicht wetterfest
  • Zerstreuungskreise außerhalb der Bildmitte bei Offenblende katzenaugenformig

Ich will hier nicht verschweigen, dass ich das Nocticron ein Mal tauschen ließ, da das erste Exemplar beim Fokussieren auffällig laut war und eine Art Schleifgeräusch auftrat (mit dem Scharfstellen gab es zwar keine Probleme aber es klang irgendwie ungesund). Das Austauschobjektiv ist nun deutlich leiser und – bilde ich mir ein – auch etwas schneller.

In meinem Post zum Fotowalk durch die Stuttgarter Innenstadt gibt’s noch einige weitere Beispielbilder.