Jeden Herbst geht das Spiel von vorn los: das noch nicht ein Jahr alte iPhone wird wieder zum “Vorgängermodell” degradiert. Denn schon steht der Nachfolger in den Startlöchern: noch flacher, schneller, besser.

Ich bin ja auch einer der Bekloppten, die in den letzten Jahren kaum eine Gerätegeneration ausgelassen haben. Wenigstens treibt einem der  Wiederverkaufswert der älteren Geräte nicht ganz so schlimm die Tränen in die Augen wie bei vergleichbar alten Android-Geräten.

So bin ich auch dieses Mal wieder ganz früh am Start. Obwohl ich mir nach dem Early-Adopter-Debakel mit dem iPhone 5 und 5S Anderes vorgenommen hatte. Seit gut einer Woche trage ich nun jedenfalls das iPhone 6 mit mir herum. Hier mein kleiner Review und Gedanken zur neuen Inkarnation des vermeintlich besten Smartphones der Welt.

Bigger is better

iphone6_review_002Auffälligstes Merkmal der neuen iPhones ist natürlich, dass sie gewachsen sind. Das war’s dann für die 4″-Generation. Apple gibt der Nachfrage nach größeren Displays nach und spendiert dem iPhone 6 eine Bildschirmdiagonale von 4.7 Zoll. Dabei ist es jedoch flacher als der Vorgänger und die abgerundeten Kanten bzw. der fließende Übergang des Displayglases in das Unibody-Gehäuse trägt zu einem insgesamt sehr leichtgewichtigen Eindruck bei. Seitliche Wischgesten bekommen hierdurch eine ganz andere Qualität. Ein Effekt, der mit dem Anlegen einer Schutzhülle oder Schutzfolie gnadenlos zu Nichte gemacht wird. Auf Letztere verzichte ich inzwischen vollständig. Das iPhone 6 ist das für Schutzfolien am wenigsten geeignete iPhone aller Zeiten. Etwas Kantiges auf etwas Rundes kleben sieht einfach unglaublich kacke aus und fühlt sich auch so an.iphone6_review_003“Nackig” ist das iPhone 6 ein Handschmeichler. An meinem Exemplar kann ich verarbeitungstechnisch endlich mal nichts aussetzen. Es knarzt nix, die  Hintergrundbeleuchtung ist uniform, kein Gelbstich sichtbar, keine Kratzer oder Dellen ab Werk. Alles gut. Die Tasten haben einen satten Druckpunkt. Lediglich der des Homebuttons ist etwas “flach”. Da gefiel mir der tiefere Druckpunkt beim 5s etwas besser. Aber daran gewöhn ich mich.

Retina HD

Ebenfalls gewöhn ich mich an die neue Größe. Und zwar erstaunlich schnell. Ich kann das 6er einhändig noch gut bedienen. Um auf die obersten Pixel drücken zu können, muss ich den Daumen schon etwas recken, habe dabei aber nicht das Gefühl, das iPhone irgendwie unsicher in der Hand zu halten. Wenn ich jetzt das 5er in die Hand nehme, kommt mir das Display geradezu winzig vor.iphone6_review_005A propos Display: das darf sich jetzt “Retina HD” nennen. Und ich frage mich, wen die zwei zusätzlichen Buchstaben in Zeiten von 4K und UHD wohl noch beeindrucken sollen. Aber: das Display ist definitiv besser. Die Farben sind satter, die Kontraste und Schwarzwerte höher. Und alles beeindruckend blickwinkelstabil. Die Lesbarkeit bei Sonnenlicht ist ebenfalls verbessert worden. Der Unterschied wird erst so richtig deutlich, wenn man nach ein paar Tagen mit dem iPhone 6 mal wieder zum 5er greift. Für die höhere Auflösung noch nicht optimierite Apps können zum Teil noch etwas käsig aussehen.

Foto und Video

Die Kamera im iPhone 6 hat noch immer vergleichsweise magere 8 Megapixel im Gepäck. Hier sollte man sich allerdings nicht blenden lassen: möglichst viele Pixel auf einen ziemlich kleinen Sensor zu quetschen, macht ein Smartphone nicht gerade zu einem tauglichen Fotoapparat. Und man muss es Apple zu Gute halten, dass man dort auf diesen Zug nicht aufspringt.

Erste Tests der Foto- und Video-Qualitäten des iPhone 6 und 6 Plus haben bereits gezeigt, dass es die Mehr-Megapixel-Konkurrenz nicht fürchten braucht. Im Gegenteil: bei DxOMark landen iPhone 6 und 6 Plus auf den vordersten Plätzen und lassen Galaxy, Experia, Lumia & Co. hinter sich.

4K-Video gibt’s zwar nicht. Dafür ordentliche 1080p-Qualität mit 60 Bildern/Sekunde. Die Zeitlupen-Funktion wurde von 120 auf 240 Bilder/Sekunde aufgebohrt. Leider nur in 720p. Kann sich aber sehen lassen, wie diese Videos zeigen.iphone6_review_009Hilfreich ist auch, dass die Kamera nun mit Phasenfokus arbeitet und dabei spürbar schneller scharf stellt. Das ganze Paket war dann wohl zuviel für das dünne Gehäuse und so steht die Optik des iPhone 6 (und 6 Plus) leicht hervor. Heißt auch, dass das iPhone mit der Rückseite auf dem Tisch liegend etwas wackelt. Mich persönlich stört’s nicht besonders. Ein Schönheitsfehler, der womöglich im iPhone 6S bereits korrigiert wird.

Und sonst so…

Zur Geschwindigkeit des A8 im Vergleich zum A7 kann ich ehrlich gesagt nicht viel sagen. Der A7 im 5S war in allen Lebenslagen ausreichend schnell und ich wüsste aktuell auch nicht, wo ich im iPhone 6 das Plus an Leistung benötigen würde. Für den täglichen Gebrauch macht es aktuell einfach keinen Unterschied. Für die Luft nach oben werd ich mit der Zeit vielleicht dankbar sein, derzeit spür ich davon allerdings nichts.iphone6_review_008Die Akkulaufzeit hat sich sich im Vergleich zum 5er etwas verbessert. Kein Quantensprung aber immerhin. Abends hab ich in der Regel noch 15-20% mehr Saft im Akku als es beim 5er der Fall gewesen wäre. Sehr angenehm in iOS 8 auch die Möglichkeit, nachsehen zu können, welche Apps die Akkufresser sind.

iPhone 6 oder 6 Plus…?

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Während letztes Jahr das 5s offensichtlich noch als Premium-Variante und das 5c als “Einstiegs”-iPhone galt, begegnen sich die beiden 6er-iPhones von der Produktpositionierung her auf Augenhöhe.

Was hat das 6 Plus dem normalen 6er also voraus? – Im Wesentlichen drei Dinge…

Größeres Display, viel mehr Auflösung

Das 6 Plus, mit seinen fünfeinhalb Zoll ist ein ganz schöner Brocken. Die Auflösung ist so hoch wie bei meinem 24″ iMac. Das muss man sich erstmal durch den Kopf gehen lassen. DisplayMate hat die Displays des 6 und 6 Plus als aktuell beste LCD-Smartphone-Display getestet.

Optischer Bildstabilisator

Hierfür war im normalen 6er wohl kein Platz mehr: beim 6 Plus wobbelt die Optik mit dem Grobmotoriker mit und gleicht Verwackelungen aus. Dadurch sind schärfere Aufnahmen bei schlechteren Lichtverhältnissen bzw. mit weniger Bildrauschen möglich.

Angepasstes UI

Apple passt die hauseigenen Apps für das 6 Plus an. So wird bspw. im Querformat hier und da noch mal eine Seitenleiste eingeblendet oder zusätzliche Tasten auf dem Keyboard angezeigt. Grundsätzlich steht es den Entwicklern frei, dies auch für das normale 6er zu tun. Apple beschränkt dies jedoch auf das 6 Plus.

Wer die Wahl hat…

Für mich war die Entscheidung, zum iPhone 6 zu greifen, eine Einfache. Ich schleppe mein iPhone primär in der der Hosentasche mit mir herum, fummel es mit einer Hand heraus und bediene es unterwegs auch viel auf diese Art: einhändig nämlich. Beides Dinge, von denen ich mich beim 6 Plus hätte verabschieden können, denn in der Hosentasche hätt’s einfach merkwürdig ausgesehen und “Reachability” hin oder her, mit meinen eher kleinen Griffeln hätte ich jedes Mal Angst haben müssen, dass mir das Ding aus den verkrampften Fingern rutscht. Also kam’s für mich einfach nicht in Frage. Wenn’s mal mehr Bildschirmdiagonale sein soll und ich beide Hände frei habe, greife ich zum iPad mini.

Case-Tipp

Wie oben schon beschrieben: auf eine Folie verzichte ich inzwischen. Ein Case benutze ich trotzdem und zwar aktuell dieses hier, mit dem ich recht zufrieden bin. Außerdem hab ich mir noch einen Sleeve von Adore June bestellt, den ich bereits für das 5s genutzt hatte und mit dem ich auch sehr zufrieden war.

Fazit

Für mich ist das iPhone 6 in der Historie der iPhones der größte Sprung seit dem Wechsel vom 3GS aufs iPhone 4. Im übertragenen, wie im wortwörtlichen Sinne. Ein sehr geschmeidiges, perfekt verarbeitetes Gerät, dass trotz der Größe wenig aufträgt und gut in der Hand liegt. Das Display ist eine Wucht, die Kamera für ein Smartphone absolut Schnappschusstauglich, die Videofunktion sogar sehr ordentlich.iphone6_review_004Der Preis ist natürlich eine Ansage. Aber wer sein Alteisen bei eBay noch gut los wird, muss nicht ganz so tief in die Tasche greifen. Ich hätte mir gewünscht, dass Apple anstelle der 32GB-Variante die 16er in die ewigen Jagdgründe befördert und das 32er zum gleichen Preis anbietet. Die 16 GB waren zuletzt bei mir regelmäßig belegt, ohne, dass ich großartig Videos, Musik oder Fotos auf dem Gerät hatte. Over-the-Air-Updates, für die man ein paar freie Gigabyte Speicher benötigt, waren schon längst nicht mehr machbar. Aber derartige Wünsche erfüllt einem Apple leider nicht.

Ansonsten kann ich mich allerdings wirklich nicht beklagen. Der Langzeittest wird zeigen, ob sich der gute Ersteindruck dauerhaft bestätigt.